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Welchen Wert misst du?

DE: Und da stehe ich nun in der Umkleidekabine – ich probiere gerade einen Rock an, beäuge ihn kritisch. Schaue mich von vorne, hinten und von der Seite an, setze mich hin, um zu testen, wie wie er nach oben rutschen würde und erprobe mich an einer kurzen Tanzeinlage, um die Bewegung des Rockes im Alltag einschätzen zu können. Eines steht im Vorhinein sowieso schon fest, ich werde ihn mit einer Strumpfhose tragen. Wieso ich mir diese Gedanken mache?

Natürlich will ich mich wohlfühlen. Ich denke jeder von uns hat eine Wohlfühl-Länge, eine Komfortzone wie viel oder wie wenig er gerne zeigen möchte. Ich mag es Röcke und Kleider lieber mit Strumpfhose zu tragen, weil ich mich angezogener fühle. Ich war noch nie eine Sorte Mädchen, die es mochte viel Haut zu zeigen. Vielleicht stimmt ihr mir gerade innerlich nickend zu. Ich habe es unbewusst gesagt: „Sorte Mädchen“, dabei sollte es auf keinen Fall urteilend klingen, lediglich einordnend.
Worauf ich eigentlich hinaus möchte, ist die Tatsache, dass Frau anhand ihrer Kleiderlänger gerne kategorisiert wird. Das wäre ja auch nicht weiter schlimm, wenn da nicht der Aspekt der knallharten Beurteilung wäre. Wann ist zu lang zu prüde, wann ist zu kurz zu „leichtes Mädchen“ aka schlampig. Wann wirkt Frau billig, wann zu zugeknöpft. Wieso meint man überhaupt diese Punkte anhand von Kleiderlängen messen zu dürfen?

Nun ja. Weil es so ist. Die Gesellschaft hat schlichtweg gewisse Vorstellungen davon, was sich zu gehören hat und was eben nicht. Für mich persönlich spielt der Anlass und Ort eine immense Rolle. Wenn jemand gerne einen Minirock zum Feiern trägt, bin ich gut und gerne mit dabei, im Alltag hingegen würde ich niemals einen Minirock tragen, selbst wenn ich mich fühlen würde, als sei es eine Jogginghose – ich finde es einfach nicht passend für mich. Wenn es jemand jedoch mit Anmut und Selbstbewusstsein trägt, finde ich es großartig! Doch leider denke viele anders – so zumindest mein Eindruck.

Wenn ein Mädchen vor mir in der Schlange steht und einen tiefen Ausschnitt trägt, der nicht viel Fantasie benötigt – ja, dann hagelt es oft Blicke, Getuschel, Gepfiffe oder Geräusche. Ein bisschen weniger Stoff und schon meinen andere sich dazu berufen fühlen, ihre Meinung laut machen zu dürfen. Je tiefer der Ausschnitt, je kürzer der Rock umso mehr hat der Gegenüber das Recht lautstark Meinung kund zu tun?

Wenn man in die Richtung fährt, sollte man immerhin auch einer „bedeckt“ und gut angezogenen Frau sagen können, das sie gut aussieht. Eben ein Kompliment machen, anstatt sich einen Freifahrschein zu holen, grölend knappen Röcken, Shorts und Dekolleté zu brüskieren.

Ich bin vor Kurzem auf die schweizer Organisation „Terres Des Femmes“ aufmerksam geworden. Sie widmet sich der Geschlechter-Gleichberechtigung und kämpft gegen unfaire Beurteilung von Frauen und Mädchen anhand ihrer Kleidung. In diesem Zuge haben sie die Kampagne „Don’t Measure a Woman’s Worth by Her Cloths“ ins Leben gerufen. Zusammen mit Studenten der deutschen „Miami Ad School“ haben sie drei Images entworfen, auf denen sie die sexuellen Regionen der Frau, sprich Dekolleté, Beine und auch ihre Absatzhöhe, bemessen.

Diese zurecht provokanten Messlinien zeigen auf, wann eine Frau beispielsweise prüde oder nuttig ist. Wann ist sie langweilig, wann aufregend. Eine ziemlich wahnsinnige Idee eigentlich, die der traurigen Wahrheit entspricht. Denn unterm Strich bedeutet dies, dass das „Opfer“ aka die Frau, die einfach ihre Kleidung trägt, wie sie sie eben trägt, schlichtweg „danach gefragt hat“. Wenn sie auf ekelhafteste Weise angemacht wird, ist selber Schuld „wenn man so auf die Straße geht“.

Aber ist man das wirklich?

Eine Diskussion und ein Gedankenspiel, welches man ewig ausführen könnte. Ich würde am liebsten noch weitaus mehr dazu schreiben, denn es betrifft jeden da draußen auf irgendeine Weise. A) weil man die Person ist, die es trägt oder b) weil man der Mensch ist, der einen anderen aufgrund seiner Kleidung beurteilt. Ich finde es sagt mehr über den Kommentierenden aus, was für ein Mensch dahinter steckt, als über die Frau in High Heels.

Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Meinung kund tut oder zumindest selber mal darüber nachdenkt, ob ihr euch aufgrund von solchen Konformen selber einschränkt oder generell damit einverstanden seid und diese Längen adaptiert habt. Vielleicht kleidet ihr euch bewusst in den angemessenen Längen, weil ihr es nicht anders kennt, euch so wohl fühlt. Aber wenn ihr euch nicht traut, weil ihr Angst habt vor den Reaktionen anderer, solltet ihr euch Gedanken machen. Jeder hat das Recht dazu das zu tragen, was ihm lieb ist. Was andere darüber denken, ist unterm Strich deren Problem. Wenn ich mich in High Heels im Alltag wohlfühle, weil es zu meinem Styling gehört und ich mich stärker fühle, dann darf ist das. Wenn es jemanden dabei anders geht, muss er es mich sich ausmachen.

Punkt.

pic source: www.frauenrechte.de/online/index.php

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